Dienstag, 4. August 2009

Ein Plädoyer für unsere Schlote!

Schlote gehören nicht gerade zu den beliebtesten Architekturelementen. Noch immer stehen sie symbolhaft für den Dreck und die Abgase, mit denen die Industrie unsere Umwelt belastet. Dabei ist das ein Umstand, der für die alten ziegelgemauerten Schornsteine schon lange nicht mehr zutrifft - es sind inzwischen denkbar wenige, die noch aktiv in Verwendung sind. Dementsprechend viele von ihnen wurden bereits gesprengt oder abgetragen. Mittlerweile fallen sie in der Landschaft kaum mehr auf und sind auf dem Weg zur bedrohten Gattung.

Der höchste Ziegelschlot Österreichs, jener der St. Pöltner Glanzstoff-Fabrik (zuletzt 86m hoch) wurde vor kurzem gesprengt. Im Zuge des Sprengspektakels wurden in Medien und Forumpostings auch Stimmen laut, die den Verlust dieses lokalen Wahrzeichens bedauerten. Und bedauerlich ist es in der Tat - wie immer, wenn eine historisch bedeutende Anlage dezimiert und aufgegeben wird.

St Poelten Glanzstoff


Was die Glanzstoff für St.Pölten, war in noch größerem Ausmaß Semperit für Traiskirchen - nämlich die identitätsstiftende Lebensader der Gemeinde. In Traiskirchen steht noch das Prachtstück von einem Schlot und bohrt sich ehrfurchtsgebietend in den Himmel. Wie lange wohl noch?

Traiskirchen Semperit


Einem anderen Schlot, diesmal aus Beton, geht es zur Zeit bereits an den Kragen. Der 200 Meter hohe Schlot des Kraftwerks Simmerings-Block 6 wird durch einen in seinem Inneren plazierten, ferngesteuerten Bagger sukzessive demoliert. Danach werden weite Teile der ab 1959 errichteten Kraftwerksblöcke abgerissen und ein Neubau errichtet. Die auf dem Bild zu sehende Skyline wird sich somit wohl ziemlich ändern (Der gerade in Abtragung befindliche Schlot ist jener ganz links).

Kraftwerk Simmering


Es wäre an der Zeit, die alten Schlote nicht länger als die Dreckschleudern zu betrachten, die sie einst waren. In den etwa 150 Jahren, seit denen es sie gibt, sind sie zu Landschafts- und Stadtbildelementen geworden, die - verglichen mit manch Auswürfen jüngeren Datums - als geradezu zierlicher Schmuck gelten können. Außerdem sind sie DAS Erinnerungsmerkmal für unsere industrielle Vergangenheit. Meiner bescheidenen Meinung nach Grund genug sie stehen zu lassen, zu erhalten und zu pflegen. Und manchmal findet sich unvermutet eine neue, friedliche und ökologische Funktion - wie das untenstehende Bild aus dem Burgenland beweist:

Familie Storch

Einleitung

Hier soll abseits des Bekannten Spannendes und Wissenswertes zu den Themen Industriekultur - Architektur - Stadtwandel - zu finden sein. Im Mittelpunkt stehen die "vergessenen Orte" vorrangig Wiens und NIederösterreichs. Verfallene Gebäude, leerstehende Fabriken, rätselhafte Brachen, alle diese magischen Orte, auf die kein Reiseführer hinweist, die von Abriß und Neuverwertung bedroht sind, deren Geschichte es aber wert ist, erzählt und bewahrt zu werden.

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Mein Lesestoff

Jonathan Glancey:
Lost Buildings. Demolished-Destroyed-Imagined-Reborn (2009)

Alfred Komarek:
Weinviertel. Tauchgänge im Grünen Meer (1998)

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Wolfgang Burghardt, 1220 Wien, roverandom (at) gmx.at

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Zuletzt aktualisiert: 17. Jan, 20:25

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